Alles sollte besser werden. Mit dieser Hoffnung kam Teresa Tiburicio 2011 wie so viele junge Spanier nach Berlin. Doch es kam anders. Eine Abrechnung.
Berlin im Winter tut weh. Es ist grau, es nieselt und es ist kalt. Der khakifarbene Parka wirkt zu groß an dieser kleinen Frau mit den Korkenzieherlocken, die wild von ihrem Kopf abstehen. „Die spanische Sonne fehlt mir am meisten“, sagt Teresa, während sie die Treppen einer alten Fischfabrik hinauf zu ihrer Wohngemeinschaft steigt. „Nimm, was dir zusteht!“ und „Hol dir dein Leben zurück!“, fordern Plakate im Flur Bewohner und Besucher auf. Teresa setzt sich auf das Sofa und legt ihre Hände auf die übereinandergeschlagenen Knie. Seit drei Jahren wohnt sie in dieser WG. Weil sie weniger Geld als ihre Mitbewohner verdient, zahlt sie auch weniger Miete. Es gefällt ihr hier. „Diese Menschen sind wie meine Familie.“ Trotzdem hat es lange gedauert, bis Teresa sich in Deutschland zurechtgefunden hat. „Berlin ist anstrengend“, seufzt sie. „Jeden Tag verändert sich etwas.“ Ihr Blick schweift durch den großen Raum, in dem Küche und Wohnzimmer ineinander übergehen. Die kleine Tochter ihrer Mitbewohnerin hat viele selbstgemalte Bilder an die Wände gehängt. Bei einer futuristisch aussehenden Konstruktion auf dem Wohnzimmertisch kommt Teresas Blick zum stehen. „Das ist ein Sonnenlichtsimulator“, lacht sie. „Um den Berliner Winter zu ertragen.“
"Eine ganze Generation, die sich unter ihrem Wert verkaufen muss, wenn sie arbeiten will"
Teresa steckt sich einen Zigarettenfilter in den Mundwinkel und dreht sich eine Zigarette. „Als die Krise 2008 losging, war ich gerade für ein Erasmus-Jahr in Lissabon“, erzählt Teresa: „Ich habe diese Zeit wie in einer Luftblase gelebt, einfach das Leben genossen, und kaum etwas von der Krise mitbekommen“, gesteht Die Wahl-Berlinerin, wenn sie auf ihr Journalistik- und Anthropologiestudium zurück blickt. „Meine Eltern waren es, die zu mir sagten: „Flieh. Mach Dir um uns keine Sorgen, bau dir eine Zukunft auf ." 2011 schließlich verließ Teresa Madrid, so wie fast alle ihre Freunde, so wie tausende junge Spanier jährlich - mehr als jeder zweite junge Mensch in Spanien ist ohne Job. Man kann diesen Fakt der Finanzkrise zuschreiben. Man kann die Umstände aber auch als das strukturelle Problem eines globalen Arbeitsmarktes sehen, in dem unbefristete Verträge die Regel und ausreichend vergütete Praktika eine Ausnahme sind. Die Folge: Eine ganze Generation, die sich unter ihrem Wert verkaufen muss, wenn sie arbeiten will.
"Heute hier, morgen da – alles für die Dauer eines Projektes"
„Am Anfang war es aufregend“, erzählt Teresa, die gerne reist und fremde Kulturen kennenlernt. als Projektassistentin arbeitete sie für Survival International, eine Menschenrechtsorganisation. „Meine Eltern waren stolz auf mich, auf sie wirkte mein Leben wie ein großes Abenteuer.“ Als Teresas Vertrag nach 10 Monaten auslief und nicht verlängert wurde, machte sie einen Integrationskurs, lernte Deutsch an der Volkshochschule und kellnerte in verschiedenen Restaurants. Doch die erhofften Jobangebote blieben aus, Teresa lebte von Harz IV. Weil sie nicht weiter wusste, begann sie im letzten Jahr ihren Master in Anthropologie. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie heute mit einem Aushilfsjob im Restaurant. „Die Luftblase ist geplatzt und ich habe verstanden: Ich bin jetzt kein Erasmusstudent mehr, sondern Immigrant.“ Die Zigarette hat sie im Aschenbecher ausgedrückt, mit ihren Handbewegung verleiht sie ihren Worten zusätzliche Schärfe. Sie ist wütend: „Der globalisierte Markt wird uns als coole Sache verkauft. Freiheit und Flexibilität. Heute hier, morgen da – alles für die Dauer eines Projektes.“ Sie merkt selbst, dass sie aufgebracht ist „ Das macht Spaß, wenn man 20 ist.“ Sie räuspert sich, ihre Stimme wird ruhiger. „Aber ich bin jetzt 30. Ich will erwachsen werden, Verpflichtungen eingehen.“ Lange sagt sie nichts. „Für Männer ist das alles vielleicht leichter. Sie können noch lange Kinder bekommen.“
"Ich wurde darauf vorbereitet erfolgreich zu sein. Und was bin ich jetzt?"
Vor ein paar Tagen hat Teresa eine Party gefeiert, die Flaschen stehen noch neben der Spüle, auf der Schiefertafel in der Küche haben ihre Freunde ihr Grüße hinterlassen. „Ich wurde darauf vorbereitet, erfolgreich zu sein. Und was bin ich jetzt?“ Teresa zuckt mit den Schultern, so als könne sie sich diese Frage selber nicht beantworten. „Ich bin keine Journalistin, keine Anthropologin. Ich bin nichts.“ Sie holt tief Luft, knetet ihren Nacken, bis die Haut rot wird. „Zumindest nichts von dem, was ich sein wollte.“ Nächste Woche fliegt Teresa zurück nach Madrid, zurück zu ihren Eltern, die sie mittlerweile nicht mehr für ihr Leben bewundern, sondern sich Sorgen machen. „Manchmal bereue ich es, nicht einfach Lehrerin geworden zu sein“ sagt Teresa. „Das ist vielleicht weniger aufregend, aber es gibt einem Sicherheit und eine Perspektive.“ Sie dreht sich noch eine Zigarette, weiß selbst, dass sie viel zu viel geraucht hat, in den letzten Tagen. „Aber es ist okay“, sagt sie, und bläst den Qualm aus. „Ich habe aufgehört, mich über einen Job definieren zu wollen.“
"Es ist ungerecht, was gerade passiert"
Was genau sie machen wird, wenn sie zurück in Spanien ist, das weiß Teresa noch nicht. „Ich muss mich jetzt erst einmal ausruhen. Mein Elternhaus ist ein Zufluchtsort für mich, aber eigentlich nichts, was ich mit 30 Jahren Zuhause nennen will.“ Im April wird sie dann noch einmal nach Berlin zurück reisen, um ihre Masterarbeit über spanische Immigranten in Berlin zu beenden. Müde wirkt sie tatsächlich, ihre Haut ist fahl und die Ringe unter den Augen dunkel. Vielleicht braucht es ein bisschen echter spanischer Sonne und keines künstlichen UV-Lichtes, um Farbe zurück in ihr Gesicht zu bringen. „Wenn man sich auf der Welt umguckt, sind wir in Europa immer noch Teil einer sehr privilegierten Generation“, sagt Teresa und erinnert an die Geschehnisse in Palästina und Syrien. „Trotzdem ist es ungerecht, was gerade passiert. Und wenn wir uns nicht darüber beschweren, wer dann?“ *
Berlin im Winter tut weh. Es ist grau, es nieselt und es ist kalt. Der khakifarbene Parka wirkt zu groß an dieser kleinen Frau mit den Korkenzieherlocken, die wild von ihrem Kopf abstehen. „Die spanische Sonne fehlt mir am meisten“, sagt Teresa, während sie die Treppen einer alten Fischfabrik hinauf zu ihrer Wohngemeinschaft steigt. „Nimm, was dir zusteht!“ und „Hol dir dein Leben zurück!“, fordern Plakate im Flur Bewohner und Besucher auf. Teresa setzt sich auf das Sofa und legt ihre Hände auf die übereinandergeschlagenen Knie. Seit drei Jahren wohnt sie in dieser WG. Weil sie weniger Geld als ihre Mitbewohner verdient, zahlt sie auch weniger Miete. Es gefällt ihr hier. „Diese Menschen sind wie meine Familie.“ Trotzdem hat es lange gedauert, bis Teresa sich in Deutschland zurechtgefunden hat. „Berlin ist anstrengend“, seufzt sie. „Jeden Tag verändert sich etwas.“ Ihr Blick schweift durch den großen Raum, in dem Küche und Wohnzimmer ineinander übergehen. Die kleine Tochter ihrer Mitbewohnerin hat viele selbstgemalte Bilder an die Wände gehängt. Bei einer futuristisch aussehenden Konstruktion auf dem Wohnzimmertisch kommt Teresas Blick zum stehen. „Das ist ein Sonnenlichtsimulator“, lacht sie. „Um den Berliner Winter zu ertragen.“
"Eine ganze Generation, die sich unter ihrem Wert verkaufen muss, wenn sie arbeiten will"
Teresa steckt sich einen Zigarettenfilter in den Mundwinkel und dreht sich eine Zigarette. „Als die Krise 2008 losging, war ich gerade für ein Erasmus-Jahr in Lissabon“, erzählt Teresa: „Ich habe diese Zeit wie in einer Luftblase gelebt, einfach das Leben genossen, und kaum etwas von der Krise mitbekommen“, gesteht Die Wahl-Berlinerin, wenn sie auf ihr Journalistik- und Anthropologiestudium zurück blickt. „Meine Eltern waren es, die zu mir sagten: „Flieh. Mach Dir um uns keine Sorgen, bau dir eine Zukunft auf ." 2011 schließlich verließ Teresa Madrid, so wie fast alle ihre Freunde, so wie tausende junge Spanier jährlich - mehr als jeder zweite junge Mensch in Spanien ist ohne Job. Man kann diesen Fakt der Finanzkrise zuschreiben. Man kann die Umstände aber auch als das strukturelle Problem eines globalen Arbeitsmarktes sehen, in dem unbefristete Verträge die Regel und ausreichend vergütete Praktika eine Ausnahme sind. Die Folge: Eine ganze Generation, die sich unter ihrem Wert verkaufen muss, wenn sie arbeiten will.
"Heute hier, morgen da – alles für die Dauer eines Projektes"
„Am Anfang war es aufregend“, erzählt Teresa, die gerne reist und fremde Kulturen kennenlernt. als Projektassistentin arbeitete sie für Survival International, eine Menschenrechtsorganisation. „Meine Eltern waren stolz auf mich, auf sie wirkte mein Leben wie ein großes Abenteuer.“ Als Teresas Vertrag nach 10 Monaten auslief und nicht verlängert wurde, machte sie einen Integrationskurs, lernte Deutsch an der Volkshochschule und kellnerte in verschiedenen Restaurants. Doch die erhofften Jobangebote blieben aus, Teresa lebte von Harz IV. Weil sie nicht weiter wusste, begann sie im letzten Jahr ihren Master in Anthropologie. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie heute mit einem Aushilfsjob im Restaurant. „Die Luftblase ist geplatzt und ich habe verstanden: Ich bin jetzt kein Erasmusstudent mehr, sondern Immigrant.“ Die Zigarette hat sie im Aschenbecher ausgedrückt, mit ihren Handbewegung verleiht sie ihren Worten zusätzliche Schärfe. Sie ist wütend: „Der globalisierte Markt wird uns als coole Sache verkauft. Freiheit und Flexibilität. Heute hier, morgen da – alles für die Dauer eines Projektes.“ Sie merkt selbst, dass sie aufgebracht ist „ Das macht Spaß, wenn man 20 ist.“ Sie räuspert sich, ihre Stimme wird ruhiger. „Aber ich bin jetzt 30. Ich will erwachsen werden, Verpflichtungen eingehen.“ Lange sagt sie nichts. „Für Männer ist das alles vielleicht leichter. Sie können noch lange Kinder bekommen.“
"Ich wurde darauf vorbereitet erfolgreich zu sein. Und was bin ich jetzt?"
Vor ein paar Tagen hat Teresa eine Party gefeiert, die Flaschen stehen noch neben der Spüle, auf der Schiefertafel in der Küche haben ihre Freunde ihr Grüße hinterlassen. „Ich wurde darauf vorbereitet, erfolgreich zu sein. Und was bin ich jetzt?“ Teresa zuckt mit den Schultern, so als könne sie sich diese Frage selber nicht beantworten. „Ich bin keine Journalistin, keine Anthropologin. Ich bin nichts.“ Sie holt tief Luft, knetet ihren Nacken, bis die Haut rot wird. „Zumindest nichts von dem, was ich sein wollte.“ Nächste Woche fliegt Teresa zurück nach Madrid, zurück zu ihren Eltern, die sie mittlerweile nicht mehr für ihr Leben bewundern, sondern sich Sorgen machen. „Manchmal bereue ich es, nicht einfach Lehrerin geworden zu sein“ sagt Teresa. „Das ist vielleicht weniger aufregend, aber es gibt einem Sicherheit und eine Perspektive.“ Sie dreht sich noch eine Zigarette, weiß selbst, dass sie viel zu viel geraucht hat, in den letzten Tagen. „Aber es ist okay“, sagt sie, und bläst den Qualm aus. „Ich habe aufgehört, mich über einen Job definieren zu wollen.“
"Es ist ungerecht, was gerade passiert"
Was genau sie machen wird, wenn sie zurück in Spanien ist, das weiß Teresa noch nicht. „Ich muss mich jetzt erst einmal ausruhen. Mein Elternhaus ist ein Zufluchtsort für mich, aber eigentlich nichts, was ich mit 30 Jahren Zuhause nennen will.“ Im April wird sie dann noch einmal nach Berlin zurück reisen, um ihre Masterarbeit über spanische Immigranten in Berlin zu beenden. Müde wirkt sie tatsächlich, ihre Haut ist fahl und die Ringe unter den Augen dunkel. Vielleicht braucht es ein bisschen echter spanischer Sonne und keines künstlichen UV-Lichtes, um Farbe zurück in ihr Gesicht zu bringen. „Wenn man sich auf der Welt umguckt, sind wir in Europa immer noch Teil einer sehr privilegierten Generation“, sagt Teresa und erinnert an die Geschehnisse in Palästina und Syrien. „Trotzdem ist es ungerecht, was gerade passiert. Und wenn wir uns nicht darüber beschweren, wer dann?“ *