Schaumkronen barsten an dem goldenen Seetor der Stadt. Sobald die Schiffe es passiert hatten, glitten sie auf ruhigem Wasser zu ihren Landeplätzen. Waren Reisende an Bord, rannten Straßenhändler auf die Mole, um den Fremden Magnete, Stifte und bemalte Teller zu unverschämten Preisen anzudrehen. Im Kampf gegen die sengende Sonne banden Dockarbeiter sich ihre Hemden um den Kopf. Ein Mann, der wohl ähnlich viel Zeit in der Sonne verbrachte, wie die Orangen, die er verkaufte, bot Kostproben seiner Früchte an. An Ständen türmten sich Gewürzberge wie Dünen aus gefärbtem Sand und im Schatten der Palmen saßen zwei Männer auf Schemeln und spielten Schach. Um sie herum hatten sich Neugierige geschart und stritten, welcher Zug der Beste sei.
In der Einkaufsstraße, die den Hafen mit der Stadt verband, wartete ein Kater darauf, dass die Urlauber halb aufgegessene Speisen wegwarfen. Aus diesen Überresten hatte jener Kater schon so manches Festmahl veranstaltet. Sein Bauch hing nur wenige Zentimeter über dem Boden, in seinem Fell mehrten sich die kahlen Stellen. Seine Schnurrhaare peilten in alle Richtungen, doch seine Augen schielten, als wollten sie sich gegenseitig angucken. Luftikus, so hieß der Kater, war in der ganzen Stadt berühmt für seine Hässlichkeit. Seine Nase war größer als die prächtigsten Kirschen, die am Markt angepriesen wurden und saß schief in seinem Gesicht. Doch egal, wie unansehnlich sie war, Luftikus roch damit besser, als alle anderen Katzen der Stadt.
Wenn die Mutter der kleinen Katja die Wäsche zum Trocknen aus dem Fenster hing, erschnupperte Kater Luftikus die Waschmittelbrise - egal wie weit er vom Musikantenviertel entfernt war. Dann eilte er vorbei an den bunten Häuserfassaden, in die sich der Schmutz jahrzehntelang hineingefressen hatte und durch die einstigen Prachtstraßen, deren Stuckverzierung durch das Salz abgewittert war.
Luftikus fand Katja in den Arkarden der Geschäftsstraße, wo sie musizierte. Der Kater strich seiner kleinen Freundin um die Beine, musste sich aber bis zum Ende des Liedes gedulden, damit Katja den Rückengurt ihres Akkordeons löste. Sie ließ das Instrument über ihre Arme hinuntergleiten, stellte es vorsichtig ab und beugte sich zu Luftikus, um ihn hinter dem Ohr zu kraulen. Die Senhora wusch immer, wenn der Senhor, ein Katzenhasser, mal wieder verschwunden war. Dann nahm Katja Luftikus am Abend mit zu sich. Im übrigen Waschwasser der Senhora badete Katja den Kater, bis seine Haut vom Schrubben gerötet und das Wasser vom Dreck grau war. Zur Belohnung stibitze sie aus der Speisekammer getrockneten Fisch für beide.
Katja und Luftikus mussten sich in ihrem kleinen Bett eng aneinander kuscheln. Luftikus lag auf Katjas Brust und seine rechte Pfote ruhte an ihrer Wange. Katja strich mit ihrem Daumen über seine stumpfen Krallen und erzählte ihm eine Gute-Nacht-Geschichte. Auf einem der großen Schiffe glitten Kapitänin Katja und Leutnant Luftikus über die sieben Weltmeere, bezwangen Piraten, Seeungeheuer und Stürme. Bei Windstille spannten sie das Möwenpack vor den Bug, damit es sich nützlich machte.
Am nächsten Morgen erwachte Luftikus von einem Duft, den er, egal wie schwach er war, zwischen allen anderen Geruchsschwaden witterte. Sein Herz klopfte und seine Schnurrhaare vibrierten. Luftikus keckerte. Pustekuchen! Er hatte es noch nie geschafft, einen zu probieren, aber er wusste, dass es der schmackhafteste Kuchen der ganzen Stadt, des ganzen Landes, der ganzen Welt war! Mit der rauen Zunge leckte Luftikus über sein Mäulchen, sprang über die schlafende Katja und verschwand durch das offene Fenster. Über die flachen Häuserdächer jagte er der Pustekuchenfährte hinterher.
„Schaut nur!“, piesakten ihn die Möwen und flogen so nah an ihn heran, dass sie mit ihren Clownsschnäbeln auf ihn einhacken könnten. „Er versucht seinen Blick geradeaus zu richten und kann doch nicht aufhören zu schielen.“ Luftikus scherte sich nicht um ihren Spott. Wenn er den Pustekuchen aufspürte, würden die Möwen darum betteln, kosten zu dürfen. Die krachelige Kruste aus Nüssen, Karamell und Schokoladenstückchen; weicher, beinahe noch flüssiger Teig im Inneren. Und dann würde er lachen!
Er rannte an den Fischern vorbei und blieb nicht einmal stehen, als der Hafenwart ihn mit Fischköpfen lockte. Kopfschüttelnd zog der an seiner Pfeife und murmelte: „Luftikus jagt wieder Pustekuchen.“
Luftikus preschte zwischen den in Socken steckenden Sandalenfüßen der Reisenden hindurch und raste über die Aquarelle eines Straßenmalers. Doch als der Duft des Pustekuchens so stark wurde, dass Luftikus der Sabber aus dem Mäulchen tropfte, als sich die Muskeln seiner Hinterbeine zum letzten Sprung auf den Pustekuchen spannten – da riss die Fährte ab.
Luftikus wollte nicht glauben, dass Pustekuchen zu Krümeln zerfiel, die im Wind verwehten, sobald jemand ihn zu fassen versuchte. Niemand wusste warum, aber jeder wusste, dass es geschah. Die Geräusche und Gerüche der Stadt, die Luftikus auf seiner Jagd ausgeblendet hatte, drangen nun mit Wucht auf ihn ein. Er taumelte, reckte seine große Nase in die Luft und versuchte, die verlorene Spur wieder zu erschnuppern. Vergeblich. Der Kater brach in Katzenjammer aus. In ihm klaffte ein Loch, das nur ein Stück Pustekuchen zu füllen vermochte.
Die gelb-weiße Straßenbahn fuhr knapp an Luftikus vorbei. Ein Auto bremste abrupt ab. Fast wäre Luftikus unter die Räder gelaufen. Das Quietschen der Bremsen weckte die Aufmerksamkeit einer Gruppe Reisender. Ein Mitglied der Herde deutete auf Luftikus: „Das ist ja wohl der hässlichste Kater der Welt.“ Blitzlichtgewitter setzte ein. Luftikus fauchte und sein Fell sträubte sich. Die Reisenden amüsierten sich darüber, lachten und drückten im Stakkato auf den Auslöser ihrer Kamera. Luftikus ergriff die Flucht. Erst als dem Kater die Luft ausblieb, hielt er an. Er hechelte, leckte zur Abkühlung seinen Pelz und blickte sich um. Von hier konnte Luftikus die ganze Stadt überblicken und hätte er es nicht besser gewusst, hätte er gedacht, dass nicht einmal die kleine Katja zwischen die gedrängten Häuser passte. Luftikus nieste. Der Geruch von frischen Zitronen, verbranntem Kuchen, Algen, Kaffee, gegrilltem Fisch, Schweiß und tausend weiterer Dinge drangen auf ihn ein. Luftikus hatte es satt, Luftikus zu sein. Was, wenn es den Pustekuchen nicht gab?
Die Reisenden verließen die Stadt in Richtung Hafen. Luftikus folgte ihnen zum Stadttor. Dort packten die Straßenmusikanten, Händler und Pantomimenspieler ihre Sachen zusammen. Auch die kleine Katja nahm Münzen aus ihrem Akkordeonkasten und verstaute das Instrument darin. Am Ende eines Tages waren ihr Arm schwer vom Bälge-Auseinander-Ziehen und ihre Handgelenke steif vom Spielen. „Na Luftikus, hast du wieder Pustekuchen gejagt?“, neckte sie ihn und er maunzte. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg ins Musikantenviertel und die Münzen klimperten in den Taschen von Katjas rotem Kleid. Vor einem fleckig-rosa Haus blieben sie stehen. „Schlaf gut, Luftikus“, verabschiedete Katja sich von dem Kater. „Heute kann ich dich leider nicht mitnehmen, Papai ist aufgetaucht.“ Luftikus stupste mit seiner großen, rosa Nase gegen Katjas Unterschenkel. Katja kicherte, seine Nase war kalt und feucht. "Na komm schon", seufzte sie, „dir zuliebe."
Sie holte das Akkordeon wieder aus dem Kasten heraus und setzte sich auf die Treppenstufen. Luftikus stellte sich vor, dass der Pustekuchen so zart und bitter schmeckte, wie die Melodie, die nun erklang. Katja hatte sie für Luftikus erdacht und spielte sie nie in den Arkaden. Die Töne wurden höher, Katjas Finger flatterten über Tasten und Knöpfe und ihr Fuß wippte im Takt. Luftikus wurde warm, als würde er neben einem Ofen liegen, in dem Pustekuchen gebacken wird. Er rollte sich auf dem Boden zusammen, legte seine Köpfchen auf die Pfoten und schloss die Augen. Nach dem letzten Akkord kraulte Katja den Kater hinter den Ohren. „Weißt du was, Luftikus?“, sagte sie. „Morgen back ich dir einen Pustekuchen.“
In der Einkaufsstraße, die den Hafen mit der Stadt verband, wartete ein Kater darauf, dass die Urlauber halb aufgegessene Speisen wegwarfen. Aus diesen Überresten hatte jener Kater schon so manches Festmahl veranstaltet. Sein Bauch hing nur wenige Zentimeter über dem Boden, in seinem Fell mehrten sich die kahlen Stellen. Seine Schnurrhaare peilten in alle Richtungen, doch seine Augen schielten, als wollten sie sich gegenseitig angucken. Luftikus, so hieß der Kater, war in der ganzen Stadt berühmt für seine Hässlichkeit. Seine Nase war größer als die prächtigsten Kirschen, die am Markt angepriesen wurden und saß schief in seinem Gesicht. Doch egal, wie unansehnlich sie war, Luftikus roch damit besser, als alle anderen Katzen der Stadt.
Wenn die Mutter der kleinen Katja die Wäsche zum Trocknen aus dem Fenster hing, erschnupperte Kater Luftikus die Waschmittelbrise - egal wie weit er vom Musikantenviertel entfernt war. Dann eilte er vorbei an den bunten Häuserfassaden, in die sich der Schmutz jahrzehntelang hineingefressen hatte und durch die einstigen Prachtstraßen, deren Stuckverzierung durch das Salz abgewittert war.
Luftikus fand Katja in den Arkarden der Geschäftsstraße, wo sie musizierte. Der Kater strich seiner kleinen Freundin um die Beine, musste sich aber bis zum Ende des Liedes gedulden, damit Katja den Rückengurt ihres Akkordeons löste. Sie ließ das Instrument über ihre Arme hinuntergleiten, stellte es vorsichtig ab und beugte sich zu Luftikus, um ihn hinter dem Ohr zu kraulen. Die Senhora wusch immer, wenn der Senhor, ein Katzenhasser, mal wieder verschwunden war. Dann nahm Katja Luftikus am Abend mit zu sich. Im übrigen Waschwasser der Senhora badete Katja den Kater, bis seine Haut vom Schrubben gerötet und das Wasser vom Dreck grau war. Zur Belohnung stibitze sie aus der Speisekammer getrockneten Fisch für beide.
Katja und Luftikus mussten sich in ihrem kleinen Bett eng aneinander kuscheln. Luftikus lag auf Katjas Brust und seine rechte Pfote ruhte an ihrer Wange. Katja strich mit ihrem Daumen über seine stumpfen Krallen und erzählte ihm eine Gute-Nacht-Geschichte. Auf einem der großen Schiffe glitten Kapitänin Katja und Leutnant Luftikus über die sieben Weltmeere, bezwangen Piraten, Seeungeheuer und Stürme. Bei Windstille spannten sie das Möwenpack vor den Bug, damit es sich nützlich machte.
Am nächsten Morgen erwachte Luftikus von einem Duft, den er, egal wie schwach er war, zwischen allen anderen Geruchsschwaden witterte. Sein Herz klopfte und seine Schnurrhaare vibrierten. Luftikus keckerte. Pustekuchen! Er hatte es noch nie geschafft, einen zu probieren, aber er wusste, dass es der schmackhafteste Kuchen der ganzen Stadt, des ganzen Landes, der ganzen Welt war! Mit der rauen Zunge leckte Luftikus über sein Mäulchen, sprang über die schlafende Katja und verschwand durch das offene Fenster. Über die flachen Häuserdächer jagte er der Pustekuchenfährte hinterher.
„Schaut nur!“, piesakten ihn die Möwen und flogen so nah an ihn heran, dass sie mit ihren Clownsschnäbeln auf ihn einhacken könnten. „Er versucht seinen Blick geradeaus zu richten und kann doch nicht aufhören zu schielen.“ Luftikus scherte sich nicht um ihren Spott. Wenn er den Pustekuchen aufspürte, würden die Möwen darum betteln, kosten zu dürfen. Die krachelige Kruste aus Nüssen, Karamell und Schokoladenstückchen; weicher, beinahe noch flüssiger Teig im Inneren. Und dann würde er lachen!
Er rannte an den Fischern vorbei und blieb nicht einmal stehen, als der Hafenwart ihn mit Fischköpfen lockte. Kopfschüttelnd zog der an seiner Pfeife und murmelte: „Luftikus jagt wieder Pustekuchen.“
Luftikus preschte zwischen den in Socken steckenden Sandalenfüßen der Reisenden hindurch und raste über die Aquarelle eines Straßenmalers. Doch als der Duft des Pustekuchens so stark wurde, dass Luftikus der Sabber aus dem Mäulchen tropfte, als sich die Muskeln seiner Hinterbeine zum letzten Sprung auf den Pustekuchen spannten – da riss die Fährte ab.
Luftikus wollte nicht glauben, dass Pustekuchen zu Krümeln zerfiel, die im Wind verwehten, sobald jemand ihn zu fassen versuchte. Niemand wusste warum, aber jeder wusste, dass es geschah. Die Geräusche und Gerüche der Stadt, die Luftikus auf seiner Jagd ausgeblendet hatte, drangen nun mit Wucht auf ihn ein. Er taumelte, reckte seine große Nase in die Luft und versuchte, die verlorene Spur wieder zu erschnuppern. Vergeblich. Der Kater brach in Katzenjammer aus. In ihm klaffte ein Loch, das nur ein Stück Pustekuchen zu füllen vermochte.
Die gelb-weiße Straßenbahn fuhr knapp an Luftikus vorbei. Ein Auto bremste abrupt ab. Fast wäre Luftikus unter die Räder gelaufen. Das Quietschen der Bremsen weckte die Aufmerksamkeit einer Gruppe Reisender. Ein Mitglied der Herde deutete auf Luftikus: „Das ist ja wohl der hässlichste Kater der Welt.“ Blitzlichtgewitter setzte ein. Luftikus fauchte und sein Fell sträubte sich. Die Reisenden amüsierten sich darüber, lachten und drückten im Stakkato auf den Auslöser ihrer Kamera. Luftikus ergriff die Flucht. Erst als dem Kater die Luft ausblieb, hielt er an. Er hechelte, leckte zur Abkühlung seinen Pelz und blickte sich um. Von hier konnte Luftikus die ganze Stadt überblicken und hätte er es nicht besser gewusst, hätte er gedacht, dass nicht einmal die kleine Katja zwischen die gedrängten Häuser passte. Luftikus nieste. Der Geruch von frischen Zitronen, verbranntem Kuchen, Algen, Kaffee, gegrilltem Fisch, Schweiß und tausend weiterer Dinge drangen auf ihn ein. Luftikus hatte es satt, Luftikus zu sein. Was, wenn es den Pustekuchen nicht gab?
Die Reisenden verließen die Stadt in Richtung Hafen. Luftikus folgte ihnen zum Stadttor. Dort packten die Straßenmusikanten, Händler und Pantomimenspieler ihre Sachen zusammen. Auch die kleine Katja nahm Münzen aus ihrem Akkordeonkasten und verstaute das Instrument darin. Am Ende eines Tages waren ihr Arm schwer vom Bälge-Auseinander-Ziehen und ihre Handgelenke steif vom Spielen. „Na Luftikus, hast du wieder Pustekuchen gejagt?“, neckte sie ihn und er maunzte. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg ins Musikantenviertel und die Münzen klimperten in den Taschen von Katjas rotem Kleid. Vor einem fleckig-rosa Haus blieben sie stehen. „Schlaf gut, Luftikus“, verabschiedete Katja sich von dem Kater. „Heute kann ich dich leider nicht mitnehmen, Papai ist aufgetaucht.“ Luftikus stupste mit seiner großen, rosa Nase gegen Katjas Unterschenkel. Katja kicherte, seine Nase war kalt und feucht. "Na komm schon", seufzte sie, „dir zuliebe."
Sie holte das Akkordeon wieder aus dem Kasten heraus und setzte sich auf die Treppenstufen. Luftikus stellte sich vor, dass der Pustekuchen so zart und bitter schmeckte, wie die Melodie, die nun erklang. Katja hatte sie für Luftikus erdacht und spielte sie nie in den Arkaden. Die Töne wurden höher, Katjas Finger flatterten über Tasten und Knöpfe und ihr Fuß wippte im Takt. Luftikus wurde warm, als würde er neben einem Ofen liegen, in dem Pustekuchen gebacken wird. Er rollte sich auf dem Boden zusammen, legte seine Köpfchen auf die Pfoten und schloss die Augen. Nach dem letzten Akkord kraulte Katja den Kater hinter den Ohren. „Weißt du was, Luftikus?“, sagte sie. „Morgen back ich dir einen Pustekuchen.“